Teil 1 meiner Reportage in Tunesien
"Wenn das Volk eines Tages lebenswillig wird, dann hat das Schicksal keine Wahl außer zu erhören, dann hat die Kette keine Wahl außer zu zerbrechen und dann hat die Nacht keine Wahl außer zu verschwinden"
Sonne, Meer und Strand. Ein
Urlaubsparadies am Mittelmeer, das ist die Postkarten Idylle das von
Tunesiens Regierung am liebsten vermittelt wird.
Doch in diesem Paradies ist seid
Anfang des Jahres nichts mehr so, wie es mal war.
Seit der
Revolution in Tunesien und die Flucht von dem damaligen Diktator, hat
sich einiges im Land verändert. Die Revolution hat am Anfang des
Jahres begonnen, als ein junger Akademiker sich anzündete und dabei
starb. Der Grund ist auf die Perspektivlosigkeit und Ungerechtigkeit
zurück zu führen die in Tunesien jahrelang herrschte. Es gab kaum
Jobs, die Lebensmittel waren teuer und von der Meinungsfreiheit ganz
zu schweigen.
Der Diktator Ben
Ali herrschte seit über 20 Jahren in dem Land mit ca.20.Millionen
Einwohnern.
die ersten Demonstrationen |
Ein Beispiel. Vor
einigen Jahren erwähnte ein Moderator in einer Kinder Sendung , dass
die Frau von Ben Ali mal Friseuse war. Nichts schlimmes eigentlich
oder würde eine solch banale Aussage wie „ Gerhard Schröder war
Sohn einer Putzfrau“ im deutschen Fernsehen eine Diskussion
auslösen? In Tunesien war es ganz anders, der Mann wurde am nächsten
Tag festgenommen und erst nach der Revolution frei gelassen.
Seit dem läuft
seine Show wieder und erzählt zwischen durch tausende Witze gegen
Ben Ali.
Zurzeit finden in
Tunesien die Wahlen für einen neuen Präsidenten statt.
Da war ich nun.
Gelandet in einem Land, dass am Anfang des Jahres DAS Medienthema
war.
In einem Land, das
zum ersten mal für ihre Rechte kämpft.
In einem Land das
nach 23 Jahren unabhängig ist.
Das Land, dessen
Flughafen endlich aussieht wie ein Flughafen ohne sich jedes mal von
Ben Ali Bildern beobachtet zu fühlen. Das Land, dass Geschichte
schreibt!
Aufgeregt und
Neugierig laufe ich die Straße lang.
Die Straße auf
die einst Demonstriert wurde.
Ich
entdecke schnell Spuren der Revolution. Ich entdecke bemalte Wände,
mit Sprüchen wie „Dégagé,
Dégagé , Ben Ali Dégagé“ (Hau ab, hau ab, Ben Ali hau ab) und
viele weitere Malereien und Sprüche dessen Bedeutungen stets gegen
ihn gerichtet sind.
Läden teilwiese aufgrund mangelnder Ware geschloßen |
Auf
dem Weg treffe ich auf viele Jugendliche, die auf den Treppen vor dem
Kiosk „rumhängen“.
„Seid
der Revolution bleibt uns nichts anderes übrig als abzuwarten“ ,
sagt mir Rashid einer der befragten zu der jetzigen Situation.
„Hier
gibt es kaum noch Jobs, oder freie Stellen. Ich hoffe einfach, dass
es sich bei einer neuen Regierung ändert, damit ich meiner Familie
unter die Arme greife kann.“
Rashid
ist 19 und brach mit 16 die Schule ab, aufgrund mangelnder
Zukunftsperspektive wie er und viele andere Jugendliche hier im Dorf
von sich behaupten.
Auf
meine Frage, was sie von den gestrandeten Jugendlichen in Lampedusa
halten, bekomme ich folgende Antwort von einem 18 Jährigem Englisch
Studenten: „ Es ist deren Sache, ich hätte es definitiv nicht
getan! Es ist doch einfach verrückt. Ich kämpfte doch schon für
die Unabhängigkeit meines Landes und dann wo wir Ben Ali endlich aus
unserem Land getrieben haben, fliehe ich mit?“ Zu meinem Glück
baut sich langsam eine informative Konversation auf und weitere
Passanten vor dem Kiosk mischen sich in das Gespräch. Sie reden als
wäre ich längst nicht mehr da.
Mein Onkel mit dem Bild von dem Freiheitskämpfer Bouazizi |
Von
hinten drängt sich ein älterer Herr in die Mitte und meldet sich zu
Wort, es klingt wie eine Rede , als hätte er Monate lang darauf
gewartet sich öffentlich darüber zu äußern. „Da bin ich aber
ganz anderer Meinung! Ich bin stolz auf das was unser Volk erreicht
hat. Wir sind aufgestanden und haben uns getraut! Du hast doch
gesehen wie weit die Depression und Perspektivlosigkeit einen
Menschen bringen kann. Wie damals Bouazizi ( Akademiker der sich am
Anfang des Jahres anzündete) . Und ihn haben haben wir es zu
verdanken und ihm zu Ehre sollten wir weiter für unser Land kämpfen.
Das Ende der Diktatur ist erst der Anfang harter Arbeit.“ Leise ist
es.
Jeder
liest ein kurzes Gebet zum Tod von Bouazizi.
Ich
bedanke mich und setze meinen Spaziergang fort.
Entlang
an schönen Palmen, hintereinander gereihte Cafés und Wand Malereien
sehe ich etwas, das ich auf dem ersten Blick nicht erkennen kann.
Ich
sehe eine Menge schief parkende Autos mit überwiegend libyschen
Kennzeichen.
Noch
etwas weit entfernt vor meinem Ziel, sehe ich Leute die entweder
fluchend oder triumphierend mit Tüten aus dem Gebäude kommen.
Es
ist ein Supermarkt.
Nur
ein Supermarkt.
Ein
überfüllter Supermarkt.
Wahrscheinlich
sind sehr großzügig reduzierte Angebote der Fall.
Um
der Sache auf den Grund zu gehen, nähere ich mich dem Zielobjekt und
trete hinein.
Ein
wunder das ich überhaupt meinen Fuß in dieses Gebäude setzen
konnte.
Denn
eine derartige Überfüllung ist vergleichbar mit einem
Lagerschlussverkauf.
Und
man könnte meinen das es das war.
Ausverkauftes
Brot, nicht vorhandene Milch, leeres Getränke Kühlschrank, und
Rekordverdächtige Preise.
„Angebote?
Nein, sicherlich nicht. Seid dem die Leute aus Libyen hier sind, gibt
es kaum noch Milch, Zucker und Fleisch. Und wenn es sie gibt dann ist
es sehr teuer !“ erklärt mir eine Kundin.
„ Früher
hat eine Packung Milch ungefähr 500 Franc gekostet. (0.25 €)
Mittlerweile aber 1.500 Dinar(0.50€)“
Viele
sind entsetzt und freuen sich wenn sie überhaupt mal was finden, was
für die Küche wichtig ist.
Da
die Lage in Libyen zu dem Zeitpunkt aufgrund der Proteste gegen den
Machthaber Gaddafi sehr gefährlich war, flohen die Leute nach
Tunesien. Weitere Einzelheiten und Eindrücke dazu gibt es im zweiten
Teil meiner Reportage.
Nicht
weit von dem Laden entfernt befindet sich der Strand „Sonya“.
Es
ist ein Strand zum schwimmen, relaxen und Eisessen. Ja, das dachte
ich.
Ich, auf einem leer stehendem Flüchtlingsboot. |
Lauter Flüchtlingsschiffe. |
Doch dieser Strand ist nicht mehr das was es mal war. Das traumhafte Meer mit schönen großen Dattel Palmen, ist jetzt ein Abfahrtsorts für mutmaßliche Flüchtlinge geworden! „ Jede Woche fliehen hier mehr als hunderte von Jugendlichen auf einem kleinen Boot ,dass normalerweise nur für 50 gedacht ist.“ schildert mir ein Fischer, der oft Zeuge des Geschehens ist. „ Es findet meistens Nachts statt, um nicht von der Polizei erwischt zu werden. Ich finde es Schade, dass Jugendliche sich so etwas an tun. Sie geben mehr als 100 Dinar (95€) aus nur um ins Ausland zu kommen und riskieren dafür von Lampedusa zurück geschickt zu werden oder gar auf hoher See zu ertrinken oder zu verhungern.“
Viele
Jugendliche fliehen nach Europa, in der Hoffnung dort einen Job zu
kriegen um ihre Familie in der Heimat zu unterstützen.
Auf
der Italienischen Insel Lampedusa bekommen Flüchtlinge eine
Aufenthaltsgenehmigung für sechs Monate.
Doch
mit dem wachsenden Ansturm auf Lampedusa, ist auch dies eingeschränkt
worden.
Da
viele die dort lebend ankommen nicht den ganzen Weg zurück fahren
wollen, fahren sie illegal über Italien nach Frankreich, wo die
meisten dann bei dort lebenden Verwandten oder Freunden untertauchen.
Im
arabischen Raum sind zwei Verse eines berühmten tunesischen Dichters
(Abu Al-Qassim Asch-Schabi) sehr bekannt. In diesen zwei Versen heißt
es: Wenn das Volk eines Tages
lebenswillig wird, dann hat das Schicksal keine Wahl außer zu
erhören, dann hat die Kette keine Wahl außer zu zerbrechen und dann
hat die Nacht keine Wahl außer zu verschwinden.
Auch
damals flohen die Leute von der DDR in die BRD um ein neues Leben zu
beginnen.
So
ist es bei den Tunesiern die nach Lampedusa fliehen. Und so ist es
bei den Leuten aus Libyen die nach Tunesien fliehen. In der BRD
wurden die Preise erhöht, in Tunesien auch. In der BRD waren die
Läden meist ausverkauft. In Tunesien auch.
Ich
hoffe einfach das Tunesien und Libyen es schaffen ein so freies Land
zu werden wie Deutschland.
In
meinem zweiten Teil des Berichts geht es um die Flüchtlingslager
zwischen Libyen und Tunesien.
Einige Fotos :
Mein Onkel fotografierte für mich die Aufstände, am Anfang des Jahres. Obdachlose, Rebellen, Demonstrationen gehörten zum Alltag.
Hubschrauber aus Libyen und Tunesien versetzten einen oft in Angst. Viele hatten die Befürchtung ein Anschlag könnte möglich sein.
In meinem zweiten Teil meiner Reportage, geht es um meinem Besuch in den Flüchtlingslagern, an der Grenze Libyens.
Liebste Grüße, Maissa :)
Nach der Revolution: Soldaten an jeder Straßenecke |
Eine kleine spontane Straßen Feier in Zarzis, nachdem die Nachricht kam, das Gaddafi zurück getreten ist.Es war sehr aufregend und glich einer Parade. Es lief laut Musik. Die Leute tanzten auf der Straße und ein Lautsprecher stieß aufmunternde Sätze und Jubel aus.
Vielen danke, fürs lesen.In meinem zweiten Teil meiner Reportage, geht es um meinem Besuch in den Flüchtlingslagern, an der Grenze Libyens.
Liebste Grüße, Maissa :)